Die Psychologie der Weltanschauungen gilt als eines der reichsten, aber auch rätselhaftesten Werke von Karl Jaspers. In der Retrospektive betrachtete er das Buch als seine »erste philosophische Äußerung« und »früheste Schrift der später sogenannten modernen Existenzphilosophie«. Durch ihren publizistischen Erfolg wurde sie unerwartet Grundlage seiner Berufung zum Professor der Philosophie und markiert sowohl inhaltlich als auch biografisch den Wendepunkt von der Psychologie zur Philosophie.
Mit der Weltanschauungsfrage greift Jaspers 1919 ein breit diskutiertes Symptom einer in ihren geistigen Grundfesten erschütterten und zutiefst verunsicherten Welt auf. Die Relativierung bis dahin unhinterfragter Lebens- und Deutungsschemata lässt die Weltanschauung erstmals zur Aufgabe jedes Einzelnen werden, eine Aufgabe, der sich das Buch dezidiert nicht als Ratgeber, sondern als Reflexionsinstrument stellt.
Unter dem Gesichtspunkt einer Typologie weltanschaulicher Gestalten unternimmt Jaspers in seinem Werk den Versuch, die Weltanschauungen als »letzte Positionen« der Seele zu analysieren und die geistigen Kräfte zu benennen, die sich in ihren Deutungsmustern zum Ausdruck bringen. Das Buch breitet ein Panorama von Sinngebilden und paradoxalen Strukturen menschlichen Seins vor dem Leser aus, in dem die ganze historische Bandbreite und Tiefe philosophischer Psychologie sichtbar wird.